Kinder und Jugendliche mit ADHS

Neuro-Depesche 7-8/2018

Deutlich höhere Gefahr für Vergiftungen

Kinder und Jugendliche mit einer ADHS weisen bekanntlich ein erhöhtes Risiko für Unfälle und Verletzungen auf. Jetzt zeigt die Metaanalyse eines internationalen Autoren-Teams, dass offenbar eine noch höhere Gefahr besteht, dass sich die Patienten vergiften.

Für die Auswertung kamen neun Studien infrage, an denen 84 756 ADHS-Patienten und 1 398 946 Personen ohne diese Erkrankung teilgenommen hatten. Absolut betrachtet, war das Vergiftungsrisiko eher gering: Die Prävalenz lag im ADHS-Kollektiv zwischen 3,5 und 60, median 16 Fällen pro 1000 Personen und bei den NICHT-ADHS-Kranken zwischen 0,8 und 37,3, median 4,8 pro 1000 Personen.
Mit der ‚Robust Variance Estimation‘ wurden die gepoolten Hazard Ratios (HR) bzw. Odds Ratios (OR) und daraus die Relativen Risiken errechnet. Dieser metaanalytischen Kalkulation zufolge ging eine ADHS mit einem signifikant um den Faktor 3,14 (95%-KI: 2,23 –4,42) höheren relativen Risiko für Vergiftungen einher. Dieser Zusammenhang bestätigte sich auch in verschiedenen Sensitivitätsanalysen: Wurden beispielsweise nur die berichteten HR bzw. OR berücksichtigt, lag das relative Risiko bei 3,91 bzw. 2,59. Die Heterogenität der Studien war allerdings hoch (I2: 83,8%). Das Alter (< 10 vs. ≥ 10 Jahre) hatte wider Erwarten keinen maßgeblichen Einfluss.
Darüber hinaus ergab die weitere Auswertung, dass das Vergiftungsrisiko der Kinder und Jugendlichen mit ADHS signifikant höher ausfiel als das Risiko für sonstige Verletzungen. In acht auswertbaren Studien ergab sich ein gepooltes relatives Risiko für körperliche Verletzungen von 1,54 (95%-KI: 1,33–1,78). Der beta-Koeffizient betrug 0,686; p = 0,021). HL
Kommentar

Generell ist das Vergiftungsrisiko im Kinder-und Jugendalter höher als im Erwachsenenleben. Bei Patienten mit einer ADHS ist es erheblich höher als in der Bevölkerung – und sogar höher als das allgemeine Verletzungsrisiko der Erkrankten. Obschon Vergiftungen insgesamt recht selten sind, sollten die Erkenntnisse dieser Studie sowohl in klinisch orientierte Guidelines einfließen als auch im Beratungs- und Behandlungsalltag berücksichtigt werden. Ob eine adäquate Therapie, die Unaufmerksamkeit und Impulsivität reduziert, das Vergiftungsrisiko senken kann, wurde in dieser Metaanalyse nicht geprüft. Ebenso wenig wurde die Art von Giften (Medikamente und Nicht-Medikamente) aufgeschlüsselt.

Quelle:

Ruiz-Goikoetxea M et al.: Risk of poisoning in children ... Sci Rep 2018; 8(1): 7584 [Epub 15. Mai; doi: 10.1038/s41598-018-25893-9]

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