Bundesweiter Diagnose-Tag

Neuro-Depesche 1/2000

Depressive Erkrankungen häufiger erkannt

Oft sind depressive Erkrankungen durch körperliche Symptome maskiert, eine Diagnose ist deshalb für den Hausarzt nicht einfach. Die Fortbildung der vergangenen Jahre scheint jedoch bereits Früchte zu tragen.

In einer groß angelegten Studie wurden an einem Stichtag (15. April 1999) alle Patienten von 633 Arztpraxen (52% Allgemeinärzte, 28% Internisten, 20% praktische Ärzte) befragt. Die Patienten wurden - unabhängig vom Konsultationsanlass - gebeten, einen diagnostischen Fragebogen zur Beschreibung depressiver Beschwerden, ihres Ausmaßes und ihrer Häufigkeit auszufüllen. In einer Nachbeurteilung bewertete der Arzt die Patientenaussagen und gab seine Diagnose nebst Behandlungsschritten an. Im Falle einer depressiven Erkrankung ermittelte er deren Schweregrad mit Hilfe der "Clinical Global Impression Scale". Insgesamt konnten so über 20.000 Patientenbögen ausgewertet werden. Zirka 8% der Patienten kamen wegen psychischer Symptome in die Praxis, nach ICD-10 ergab sich eine Prävalenz depressiver Erkrankungen von 11,2%. Den Schwerpunkt bildeten leicht bis mittelgradige, aber eindeutige, typische Depressionen. Die häufigsten Klagen betrafen Antriebsminderung, Abgeschlagenheit und Müdigkeit. Vorrangige Konsultationsanlässe waren Schlafstörungen und Schmerzen. 15% der Männer und 20% der Frauen, die nach ICD-10 als depressiv eingestuft wurden, gaben an, in den letzten 2 Wochen "an den meisten Tagen" selbstmordgefährdet gewesen zu sein. Insgesamt diagnostizierten die Ärzte drei Viertel aller eindeutigen Major Depressionen richtig. Anfang der 90er Jahre war mit ähnlichen Methoden noch ein Anteil von 50% gefunden worden. Leichtere und schwellennahe Depressionsformen, welche die Mehrzahl der depressiven Patienten in der Praxis ausmachen, wurden in der aktuellen Erhebung dagegen nur zu 41% als "eindeutig" erkannt. Die Chance einer richtigen Diagnose sank, wenn die Patienten männlich und jünger waren und von sich aus keine psychischen Symptome schilderten. An der Spitze der Behandlungsmaßnahmen stand mit 65-71% die "Beratung und Krisenintervention", gefolgt von Überweisungen an Fachärzte und medikamentöser Behandlung. Mit gut 30% der Verordnungen lagen hier die selektiven Serontonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) vorn. (frg)

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