Jenseits des Morbus Alzheimer?

Neuro-Depesche 11-12/17

Demenz bei den Ältesten der Alten

Menschen im Alter > 90 Jahre stellen das weltweit am stärksten wachsende Bevölkerungssegment. Dass eine Demenz unter den Hochbetagten oft spezielle und vor allem multiple Ursachen hat, legen nun zwei kalifornische Forscherinnen dar.

Einige etablierte Demenz-Risikofaktoren wie hohes Lebensalter und niedriger Bildungsgrad treffen auch auf die Ältesten der Alten zu, während andere wie der APOE4-Allel-Status ihren Einfluss verlieren. Beim Bluthochdruck existiert sogar eine Umkehrung: In mittleren Lebensaltern ein Risikofaktor für eine Demenz, wirkt er bei Auftreten im hohen Lebensalter eher protektiv. Bei den meisten dementen Hochbetagten scheinen mehrere, ungünstig interagierende Pathomechanismen am Werk zu sein. So zeigten in einer Autopsie-Studie 66% der Personen (98–107 Jahre) ≥ 2 und 27% sogar ≥ 3 Demenzpathologien. Die Prävalenz neuritischer Amyloid-Plaques und auch der Lewy-Körperchen steigt mit dem Alter bis zum 90. Lebensjahr, scheint danach aber ein Plateau zu erreichen oder sogar abzunehmen. Einige Nicht-Alzheimer-Pathologien sind bei Jüngeren selten und werden bei den älteren Alten häufiger: Dies ist u. a. die Hippokampus- Sklerose (HS) Älterer. Sie geht mit kognitiven Beeinträchtigungen einher und ist definiert durch hippokampalen Neuronenverlust und Gliose, die gewöhnlich (in bis zu 80%) TDP-43 immunreaktive Einschlüsse aufweisen und sich nicht auf andere Pathologien wie Neurofibrillen oder zerebrale Infarzierungen zurückführen lassen. Die HS Älterer nimmt im Alter zu und findet sich in 5%–30% der Hirne hochbetagter Menschen. Die primär altersbezogene Tauopathie (PART) zeichnet sich durch subkortikale und/oder hippokampale Neurofibrillen ohne begleitende Amyloid-Plaques aus. Die Patienten sind nicht oder kaum kognitiv beeinträchtigt. Bei 88 Personen mit autoptisch sicherer PART lagen die MMST-Werte bei 24–28, wobei ein höheres Braak-Stadium mit schlechteren Leistungen korrelierte. Ob diese „Tangle-only dementia“ eine eigene Entität oder eine Alzheimer-Vorstufe ist, ist noch nicht endgültig geklärt. Vaskuläre Pathologien nehmen mit dem Alter ebenfalls zu. In der „90+-Studie“ fanden sich bei 51% der Teilnehmer Mikroinfarkte in der Hirn-Autopsie – und ≥ 3 Mikroinfarkte waren eng mit einer Demenz assoziiert (Odds Ratio: 4,75). Insofern sind, so die Autoren, „gemischte Demenzen“ bei den Hochbetagten noch einmal deutlich häufiger als bei den jüngeren Alten. HL

Kommentar

Die Demenz hochbetagter Menschen unterscheidet sich in vielfacher Hinsicht von den Demenzen im normalen Senium. Dies legt u. a. andere Präventions- und Therapiemaßnahmen nahe, als sie bei jüngeren Alten wirksam sind.

Quelle:

Pierce AL, Kawas CH; Dementia in the oldest old: Beyond Alzheimer disease. PLoS Med 2017; 14(3): e1002263 [Epub 21. März; doi: 10.1371/journal. pmed.1002263]

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