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Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2022

Neuro-Depesche 5-6/2022

Das Ziel: „Endlich leben!“

Der diesjährige Deutsche Schmerz- und Palliativtag fand vom 22. bis 26.März online statt. Rund 3.500 Teilnehmer registrierten sich für rund 70 Symposien, Seminare und Curricula. Im Fokus des Kongresses standen eine bessere Versorgung chronischer Schmerzpatienten und Aspekte der Palliativmedizin. So gab es erstmalig eine Kooperation mit der Österreichischen Palliativgesellschaft (OGP). Weitere Themen des Kongresses waren Opioide und Cannabinoide in der Schmerztherapie.
„Die typischen Patienten mit chronischen Schmerzen werden in geltenden Leitlinien bzw. in der Studienlage oder Grundlagenforschung kaum abgebildet“, betonte der Tagungspräsident Dr. Johannes Horlemann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS), im Rahmen der Auftaktpressekonferenz. Der Arzt und Psychologe plädierte für die Nutzung der Real-World-Evidenz, z. B. aus dem PraxisRegister Schmerz. „Wir brauchen PraxisLeitlinien, weil sie wissenschaftliche Studien mit Daten aus der Versorgung, Patientenbewertungen und Erfahrungen der Therapeuten verbinden.“
 
Bedarfsplanung für Schmerzmedizin
Die Bedarfsplanung für die vertragsärztliche Versorgung soll künftig den Bedarf in der Schmerzmedizin berücksichtigen, so das Fazit der Podiumsdiskussion, an der auch Vertreter der Ampelkoalition teilgenommen hatten. Alle waren sich darüber einig, dass mehr Schmerzmediziner ausgebildet werden müssen. Für den „Facharzt für Schmerzmedizin“ spricht Bedarfsplanung“ des Gemeinsamen Bundesausschusses, so Horlemann.
 
Vereinfachte Verordnung von Cannabinoiden
Ein wichtiges Thema war die Versorgung von Schmerzpatienten mit Cannabinoiden. Aktuell gestaltet sich der Einsatz dieser Substanzen noch sehr schwierig: Das Genehmigungsverfahren der Krankenkassen dauert sehr lange, und etwa ein Drittel der Anträge wird abgelehnt. Abhilfe soll der erst kürzlich von der DGS mit der AOK Rheinland/Hamburg geschlossene Vertrag zur Verbesserung der Qualität der Versorgung von Patienten mit Cannabinoiden für den medizinischen Bedarf schaffen. Diese vereinfachte Verordnung entsprechender Präpa- rate erfordert von den Vertragsärzten die Qualifikation über ein 20-stündiges Curriculum. Für Horlemann „stellt der Strukturvertrag mit der AOK ein Leuchtturmprojekt dar“. Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg, geht davon aus, dass auch andere Krankenkassen dem Beispiel folgen werden.
 
Ärztlich assistierter Suizid
„Wir dürfen Menschen mit Suizidwunsch nicht allein lassen“, so der Konsens einer Podiumsdiskussion zum ärztlich assistierten Suizid. Wie die Diskussionsteilnehmer aus Deutschland und Österreich betonten, obliegt es der individuellen Entscheidung eines jeden Arztes dabei zu assistieren.
„Wir sollten die Todeswünsche unserer Patienten ernst nehmen, ihre Not verstehen und diese lindern“, so Prof. Dr. Claudia Bausewein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (DGP). Sie stellt die Bewältigung der Lebenssituation und die Behandlung belastender Beschwerden in den Vordergrund. Norbert Schürmann, Vizepräsident der DGS: „Der ärztlich begleitete Suizid von Patienten, deren Symptome trotz palliativmedizinischer Versorgung nicht ausreichend kontrolliert werden können, darf keine rechtliche Grauzone sein.“
Das Bundesverfassungsgericht hatte vor zwei Jahren das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung aufgehoben. Die Bundesärztekammer weist aber darauf hin, dass kein Arzt zur Mitwirkung an einer Selbsttötung verpflichtet werden kann. Vielmehr steht die Suizidprävention im Fokus. Dr. Dietmar Weixler, Präsident der OPG, betonte: „Wir brauchen Maßnahmen, die gegen Einsamkeit und existenzielle Verzweiflung wirken und die eine wohnortnahe Begleitung sowie Therapien ermöglichen.“ GS
 
 
Unter dem Motto „Hilfe für traumatisierte Schmerzpatienten“ wurde kurzfristig ein Symposium zu den Folgen des Krieges in der Ukraine im Kongressprogramm ergänzt. Die DGS nutzte das Symposium für eine Hilfsaktion für die Vertriebenen aus der Ukraine und rief zu Spenden für die Organisation Ärzte ohne Grenzen e.V. auf.
Deutscher Schmerzpreis
Für sein Engagement für chronische Schmerzpatienten verliehen DGS und DSL den diesjährigen Deutschen Schmerzpreis an Gideon Franck, Petersberg. Das von Franck, der selbst ein chronischer Schmerzpatient ist, entwickelte Programm „Schritt ins Leben“ soll Betroffene dazu anleiten, gewohnte, schmerzverstärkende Verhaltensmuster zu erkennen und zu verlassen und ein „wertgeschätztes Leben“ zu führen. „Dank Gideon Franck hat der Stellenwert des ehrenamtlichen, selbsthilfebasierenden Engagements von Betroffenen für und mit Betroffenen eine neue Facette erhalten“, so Dr. Johannes Horlemann, Präsident der DGS und Tagungspräsident des Deutschen Schmerz- und Palliativtages 2022.
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