Nach Verlaufstyp aufgeschlüsselt

Neuro-Depesche 7-8/2020

Das kostet die MS in Deutschland

Die Prävalenz der MS nimmt zu, auch in Deutschland. Wie sich die Inanspruchnahme der Ressourcen des Gesundheitssystems aktuell darstellt und welche Kosten dabei anfallen, wurde nun für die vier etablierten Verlaufsformen klinisch isoliertes Syndrom (CIS), rezidivierend-remittierende MS (RRMS), primäre progressive MS (PPMS) und sekundäre progressive MS (SPMS) bei mehr als 13.000 Patienten untersucht.
Die Datenbasis bildeten alle MS-Patienten, die von 2011 bis 2015 kontinuierlich bei der AOK PLUS (3,2 Mio.) und der AOK Baden- Württemberg (3,9 Mio.) gesetzlich versichert waren – mithin etwa 10 % aller Versicherten. Ihr Durchschnittsalter betrug 50,2 Jahre, fast drei Viertel (70,7 %) waren weiblich. Unter den 13.333 Fällen stellte die RRMS mit 41,9 % den häufigsten Typ dar, gefolgt von der PPMS (17,1 %), der SPMS (15,6 %) und dem CIS (10,6 %). 2.203 Patienten konnten nicht exakt zugeordnet werden, 255 wiesen zwei Diagnosen auf.
 
Die häufigsten DMT-Verordnungen ...
Ein krankheitsmodifizierendes immunmodulatorisches Medikament (DMT) erhielten 38,3 % der CIS-Patienten, 22,4 % der PPMS-, 69,6 % der RRMS- und 33,9 %der SPMS-Patienten. Interferon- beta(IFNβ)-1a war das am häufigsten verschriebene Mittel (11,3 %), gefolgt von Glatirameracetat (GA; 8,2 %) und Dimethylfumarat (7,9 %). Als Ersttherapie wurden besonders oft IFNb-1a (40,6 %) und GA (26,9 %) eingesetzt. Eine Schubtherapie mit Glukokortikoiden wurde nur bei 14,5 % der CIS-Gruppe, 18,5 % der PPMS-, 19,9 % der RRMS- und 21,5 % der SPMSGruppe durchgeführt.
 
… und die höchsten Kosten
Die direkten plus indirekten MS-assoziierten Kosten betrugen jährlich 16.433 €. Davon entfiel auf die MS-Medikamente mit 8.770 € (53,4 %) in allen Untergruppen der Löwenanteil. Im Durchschnitt versäumten Patienten mit RRMS oder CIS-MS-bedingt deutlich mehr Arbeitstage als jene mit PPMS oder SPMS (10,6 – 11,3 vs. 3,1 – 3,6 Tage/Patientenjahr). Die entsprechenden Kosten rangierten zwischen 562 € (PPMS) und 1.874 € (CIS) und betrugen in der Gesamtkohorte 1.183 €. Patienten mit CIS wurden zudem häufiger und viel länger stationär behandelt als jene mit anderem MS-Typ (durchschnittl. 1,8 vs. 11,5 Tage). Die Gesamtkosten betrugen 12.427 € bei CIS, 14.459 € bei PPMS, 17.554 € bei SPMS und gipfelten in 20.583 € bei der RRMS. HL
Kommentar
Krankheitsschwere und Behinderungsgrad treiben die Kosten der MS bekanntlich in die Höhe. Die aktuelle Studie zeigt, dass unter den MS-Verlaufsformen Patienten mit einer RRMS die höchsten Verschreibungsquoten aufwiesen und folglich auch die höchsten Gesundheitskosten verursachten. Entgegen den Behandlungsempfehlungen erhielten 61,7 % der CIS-Patienten, 77,6 % der PPMS-, 30,4 % der RRMS- und 66,1 % der SPMS-Patienten kein DMT. Auch eine Schubtherapie mit Glukokortikoiden wurde viel zu selten durchgeführt. Zu beachten ist bei diesen Daten, dass etliche neue DMT, z. B. Ocrelizumab und Cladribin, mit Zulassung nach 2015 nicht berücksichtigt wurden.
Quelle: Müller S et al.: Real-world treatment of patients with multiple sclerosis per MS subtype and associated healthcare resource use: an analysis based on 13,333 patients in Germany. Neurol Ther 2020; 9(1): 67-83

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