Antihypertensiva

Neuro-Depesche 10/2015

CAVE: Kognitiver Abbau durch Senkung des Blutdrucks

Zertifizierte Fortbildung

Die Resultate verschiedener Studien zum Zusammenhang zwischen Blutdruckhöhe und Demenzrisiko sind verwirrend unterschiedlich. Italienische Internisten und Geriater weisen nun in einer großen Kohortenstudie auf den möglichen negativen Effekt einer starken medikamentösen Blutdrucksenkung auf die Kognition älterer, kognitiv bereits beeinträchtigter Menschen hin.

Zwischen 2009 und 2012 wurden 172 in zwei Gedächtnisambulanzen behandelte Patienten in die Studie eingeschlossen. Im Durchschnitt waren sie 79 Jahre alt und zu mehr als 60% weiblich. Ihre kognitiven Leistungen waren mit einem MMST-Wert von 22,1 (4.4) schon deutlich eingeschränkt. 117 (68,0%) hatten eine Demenz und 55 (32,0%) eine Mild Cognitive Impairment (MCI). Fast drei Viertel wiesen einen Bluthochdruck auf, mehr als zwei Drittel (n = 120; 69,8%) wurden deswegen mit gebräuchlichen Antihypertensiva wie ACE-Hemmern, Kalziumkanal-Antagonisten, Betablockern, Diuretika etc. behandelt.
Der Blutdruck wurde mittels 24-h-Messung erfasst, kognitive Veränderungen mit dem MMST dokumentiert. Alle Teilnehmer wurden über median neun Monate lang nachverfolgt.
Die Patienten, die sich mit ihrem systolischen Blutdruck (SBP) am Tage (9–19 Uhr) anfänglich in der niedrigsten Terzile (≤ 128 mmHg) befanden, wiesen mit einem Unterschied von -2,8 Punkten zwischen Einschluss und Follow up eine deutlich größere durchschnittliche MMSTVerschlechterung auf als jene mit einem SBP in der mittleren (129–144 mmHg: -0,7; p = 0,002) und jene in der höchsten Terzile (≥ 145 mmHg: -0,7; p = 0,003).
Dieser Zusammenhang war in den beiden Subgruppen (MCI und Demenz) allerdings nur für jene Patienten signifikant, die mit Antihypertensiva behandelt wurden (und nicht bei jenen mit „natürlich“ niedrigem Blutdruck). In dieser Gruppe lag die MMST-Verschlechterung bei -3,9 in der niedrigsten vs. -0,6 bzw. -0,4 in der mittleren bzw. höchsten Terzile (je p < 0,001). Die Interaktion war im Multivarianz-Modell unabhängig von Alter, MMST-Ausgangswert, vaskulärer Komorbidität etc. nachweisbar. Numerisch war übrigens auch die Zahl der Synkopen und Klinikeinweisungen in der niedrigsten SBP-Terzile erhöht. Andere 24-h-Messvariablen standen mit den MMST-Veränderungen in keinem Zusammenhang. JL
Kommentar

Neurologen aufgepasst: Eine aggressive Blutdrucksenkung mit Antihypertensiva kann bei älteren Patienten mit einer Demenz, aber auch jenen mit einer MCI unabhängig von anderen Faktoren zu einer stärkeren kognitiven Verschlechterung führen. Entgegen der Maxime „Je niedriger desto besser“ scheint dieser Studie zufolge hinsichtlich der Kognition ein SBP am Tage von 130 bis 145 mmHg am vorteilhaftesten zu sein.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Mossello E et al.: Effects of low blood pressure in cognitively impaired elderly patients treated with antihypertensive drugs. JAMA Intern Med 2015; 175(4): 578-85

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