Optische Kohärenztomographie (OCT) bei MS

Neuro-Depesche 10/2018

Biomarker für die Krankheitsprogression?

Über die MRT-Aufnahmen als „Surrogatmarker“ hinaus wären andere objektive Befunde wünschenswert, um vor allem die neurodegenerativen MS-Veränderungen wie Axonschäden bzw. Neuronenverlust zu monitoren. Dafür könnten sich die Befunde der optischen Kohärenztomographie (OCT) als Biomarker eignen.

Die aktuellen MS-Medikamente wirken vor allem auf die entzündlichen MS-Prozesse. Die schon früh im Verlauf auftretenden neurodegenerativen Veränderungen lassen sich weniger gut beeinflussen. Die langsam fortschreitende, subklinische Akkumulation von ZNS-Schädigungen, die sich schließlich als Hirnatrophie zeigt, trägt maßgeblich zur Behinderungsprogression der MS-Patienten bei.
Für diese Prozesse werden Biomarker gebraucht. Mit der relativ einfach durchzuführenden OCT werden Veränderungen vor allem der folgenden Netzhautstrukturen untersucht:
Die Retinal nerve fiber layer (RNFL) entspricht den (nicht-myelinisierten) Axonen der retinalen Ganglionzellen (GC). Eine Verdünnung repräsentiert einen Axonverlust (z. B. bei retrograder Degeneration), eine Verdickung ein Ödem, wie es bei Optikusneuritis auftritt.
Die OCT der retinalen Ganglion cell layer (GCL) und der inneren plexiformen GC-Schicht (GCIP) prüft die Ganglionzellen selbst. Eine Verdünnung entspricht einem Neuronenverlust (ggf. Dendritenretraktion).
Das Makula-Volumen ist ein weiteres Maß für die Intaktheit der retinalen GC. Eine Verringerung repräsentiert Nervenzellverlust.
Ein mikrozystisches Makula-Ödem (MME) repräsentiert eine Retinitis, die auf eine Optikusneuropathie hindeutet.
Die innere nukleäre Schicht (INL) besteht aus den Bipolar-, Horizontal- und Amacrin-Zellen. Eine INL-Verdickung wird als Retina-Entzündung interpretiert, eine Verdünnung als Verringerung der Inflammation (bzw. bei der MS als Zeichen der Aktivitätskontrolle).
Verschiedenen Studien zufolge korrelieren die OCT-Befunde für den Axonschaden (RNFL-Verdünnung) bzw. den Neuronenverlust (GCIP-Verdünnung) nicht nur mit etwaigen Sehstörungen, sondern auch mit der zunehmenden klinischen Behinderung der Patienten und der Gesamtläsionslast in der MRT.
Jüngsten Berichten zufolge könnte das mittels OCT-erfasste MME und die damit assoziierte INL-Verdickung auch als ein Marker für die entzündliche Aktivität im ZNS von MS-Patienten dienen. HL
Kommentar

Um die MS zu diagnostizieren, die Aktivität zu messen, das Ansprechen zu erfassen und den Verlauf zu dokumentieren, wird heute vor allem das MRT verwendet. Die OCT ist ein aufstrebendes Verfahren, dessen Befunde zuverlässige, reproduzierbare Marker für degenerative Veränderungen wie Axonschaden und Neuronenverlust sowie möglicherweise auch für die Entzündungsaktivität liefern könnten. Im Gegensatz zum MRT ist der „Blick ins ZNS“ mittels OCT unaufwändig und kostengünstig.

Quelle:

Costello F, Burton JM: Retinal imaging with optical coherence tomography: a biomarker in multiple sclerosis? Eye Brain 2018; 10: 47-63

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