Cannabinoide bei chronischen neuropathischen Schmerzen

Neuro-Depesche 10/2020

Beste Evidenz für THC/CBD-Fertigarzneimittel

Cannabis hat analgetische Effekte. Allerdings ist die Evidenz für die z. B. als Blüten verfügbaren Produkte mit ihren unterschiedlichen Konzentrationen an Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) bei chronischen neuropathischen Schmerzen eher schwach. Dass die Datenlage für das als Oralmukosalspray verfügbare Nabiximols mit definiertem THC:CBD-Verhältnis deutlich besser ist, auch gegenüber THC-Monopräparaten, wurde auf einem virtuellen Symposium von Almirall berichtet.
Bei der Zulassung der Verschreibungsfähigkeit von Medizinalhanf in Deutschland im März 2017 wurden die bisher gültigen Standards der Behörden nicht berücksichtigt, kritisierte PD Dr. Michael A. Überall, Nürnberg. Dieser „Tabubruch“ hat zu einem – der Evidenz von Cannabis, insbesondere der Blüten, bei neuropathischen Schmerzen und anderen Indikationen diametral entgegengesetzten – Anstieg der Verordnung geführt, so Überall. Diese nahm von 128.000 (Jan. bis Sept. 2018) um 51 % auf 193.000 (Jan. bis Sept. 2019) zu. Jedoch können Cannabinoide, räumte der Experte ein, für Patienten mit schwerwiegenden Schmerzerkrankungen, bei denen alle anderen Therapieoptionen versagt haben, eine echte Option sein.
Die „beste Evidenz bei (therapieschwierigen) neuropathischen Schmerzen“ besteht für das Fertigarzneimittel Nabiximols, sagte Überall. Dass die THC-CBDKombination der Gabe von THC allein überlegen ist, legt u. a. eine retrospektive Auswertung von Daten des deutschen PraxisRegisters Schmerz bei dieser Patientengruppe nahe: Während unter Nabiximols 64,4 % der 377 Patienten über sechs Monate eine Schmerzreduktion ≥ 50 % erreichten, war dies unter Dronabinol nur bei 22,8 % der 377 Patienten der Fall (p < 0,001). Außerdem ergaben sich für Nabiximols in diesem Vergleich zahlreiche andere signifikante Vorteile, so in der Reduktion jeglicher Basisanalgetika (41,8 % vs. 12,2 %), in der jeweils signifikant stärkeren Linderung von Depressivität, Angst und Stress sowie nicht zuletzt in einer geringeren Rate therapiebedingter Abbrüche (23,7 % vs. 39,8 %). Im Übrigen spricht sich auch die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin für Cannabis- Fertigarzneimittel aus. JL
Quelle: Virtuelles Symposium „Tabubruch Cannabis – das Ende der evidenzbasierten Medizin!/?“ Deutscher Schmerz- und Palliativtag, 21. Juli 2020. 
ICD-Codes: G62.9

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