Langzeiteffekte von Phytocannabinoiden bei Migräne

Neuro-Depesche 7-8/2020

Attacken anhaltend reduziert

Die Anwendung von medizinischem Cannabis weitet sich ganz offenkundig aus. Jetzt wurde bei Patienten mit komorbider Migräne unter Phytocannabinoiden im „echten Leben“ langfristig eine deutliche Reduktion der Attackenhäufigkeit erreicht, so das Ergebnis einer israelischen Patientenbefragung.
145 Patienten (67 % Frauen) litten unter verschiedenen Erkrankungen, die die Verordnung von medizinischem Cannabis rechtfertigten, sowie einer komorbiden Migräne. Sie hatten über ein bis zwölf, durchschnittlich drei Jahre lang diverse Phytocannabinoide oral (z. B. Ölextrakte) oder inhalativ eingenommen.
Anhand der Abnahme der monatlichen Migränetage (≥ 50 % vs. < 50 %) wurden 89 Patienten (61 %) als Responder klassifiziert. Im Gruppenvergleich berichteten diese über eine zum Befragungszeitpunkt geringere Migräne-bedingte Beeinträchtigung nach der Migraine Index Disability Scale (MIDAS), weniger negative Auswirkungen nach dem Headache Impact Test (HIT‐6) und einen besseren Schlaf nach dem Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI) als die Non-Responder. Sie nahmen zudem seltener schwache bzw. starke Opioide (5 % vs. 23 % bzw. 8 % vs. 25 %) und Triptane (5 % vs. 16 %) ein. Schließlich erfuhren sie auch signifikant weniger Nebenwirkungen (30 % vs. 46 % p < 0,05).
Der Subgruppenanalyse zufolge korrelierten Tagesdosis und Anwendungshäufigkeit mit dem Ansprechen nicht signifikant. Cannabis enthält neben Terpenen, Flavoiden etc. auch viele verschiedene Phytocannabinoide. Aufgeschlüsselt nach deren massenspektrometrisch bestimmtem Typ hatten die Responder häufiger höhere Dosen des azidischen ms_373_15c (60 %) und häufiger niedrigere Dosen des neutralen ms_331_18d (62 %) angewendet. Eine direkte Zuordnung zur Response- (oder Nebenwirkungs-) häufigkeit gelang in diesem Studienrahmen aber nicht.
Wie die Autoren angesichts der sehr vielversprechenden Resultate betonen, liegen für Cannabinoide bei der Indikation Migräne noch keine ausreichenden klinischen Daten vor. HL
Quelle: Aviram J et al.: Migraine frequency decrease following prolonged medical cannabis treatment: a cross-sectional study. Brain Sci 2020;10(6): E360 [Epub 9. Juni; doi:10.3390/brainsci10060360]

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