Blutungen unter ASS-Dauertherapie

Neuro-Depesche 11-12/17

Ältere Patienten stärker gefährdet

Zertifizierte Fortbildung

Etwa 40%–66% aller Erwachsenen im Alter ab 75 Jahren nehmen in den USA und Europa täglich Thrombozytenaggregationshemmer wie Acetylsalicylsäure (ASS) ein, davon etwa die Hälfte zur Sekundärprophylaxe nach ischämischem Ereignis. In einer prospektiven bevölkerungsbasierten Kohortenstudie wurden nun die Blutungsrisiken unter einer ASS-Dauertherapie untersucht.

Eingeschlossen wurden mehr als 3166 Teilnehmer der Oxford Vascular Study (2002 bis 2013) mit erster transienter ischämischer Attacke (TIA), ischämischem Sch la ganf a l l oder Myokardinfarkt. Unter ihnen war etwa die Hälfte (n = 1582) im Alter ≥ 75 Jahre. Alle Patienten waren mit Aggreg a t ion shemmern (vorwiegend ASS) behandelt worden. Im Lauf der Nachbeobachtung stieg der Anteil an Patienten mit zusätzlicher Protonenpumpen- Hemmer-Einnahme (PPI) auf 87% an. Im Follow-up-Zeitraum (13 509 Patientenjahre) ereigneten sich 405 erste Blutungsereignisse. Davon waren 218 gastrointestinal und 45 intrakranial, 142 betrafen andere Lokalisationen. 314 der 405 Patienten (78%) mussten wegen der Blutung stationär aufgenommen werden. Während sich das Risiko einer non-majoren Blutung als altersunabhängig erwies, stieg das Risiko für eine majore Blutung mit dem Alter der Patienten steil an: Bei den ≥ 75-Jährigen betrug es gegenüber den Jüngeren mehr als das Dreifache (Hazard Ratio: 3,10; 95%-KI: 2,27– 4,24; p < 0,0001). Als besonders stark vom Alter abhängig erwies sich das Risiko tödlicher Blutungen: Bei den ≥ 75-Jährigen betrug die entsprechende HR 5,53 (p < 0,0001). Äh n l iches galt für majore obere Gastrointestinal( GI)- blutungen bei den ≥ 75-Jährigen (HR: 4,13; 2,60–6,57; p < 0,0001). Wenn diese mit bleibenden Beeint r ä cht i g u ngen/ Tod einhergingen, lag die Wahrscheinlichkeit gegenüber den Jüngeren bei mehr als dem Zehnfachen (HR: 10,26; p < 0,0001). Wie die Autoren betonen, war die Mehrzahl (62%) der oberen GI-Blutungen bei den älteren behindernd oder tödlich – und damit insgesamt deutlich häufiger gefährlich als die Hirnblutungen. Beim Einsatz herkömmlicher PPI war die geschätzte Number needed to treat (NNT) zur Vermeidung eine behindernden oder tödlichen obere GI-Blutung über fünf Jahre ebenfalls stark altersabhängig: Lag sie bei den < 65-Jährigen bei 338, betrug sie bei den 85-Jährigen (n = 577) nur noch 25. JL

Kommentar

Langzeitstudien zur empfohlenen Dauertherapie nach ischämischen Ereignissen betreffen meistens Patienten im Alter < 75 Jahren. Hier wurde gezeigt, dass obere GI-Blutungen gerade bei den Älteren mehrheitlich durchaus nicht harmlos sind. Da Protonenpumpen- Hemmer (PPI) anderen Studien zufolge das Blutungsrisiko um 70% bis 90% reduzieren können, sprechen sich die Autoren dafür aus, den routinemäßigen Einsatz der PPI bei den ≥ 75-Jährigen in die Leitlinien aufzunehmen.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Li L et al.: Age-specific risks, severity, time course, and outcome of bleeding on long-term antiplatelet treatment after vascular events: a population-based cohort study. Lancet 2017; 390(10093): 490-9

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