Kinder über acht Jahre nachbeobachtet

Neuro-Depesche 11-12/2022

Bessere Lebensqualität nach ADHS-Diagnose?

Zertifizierte Fortbildung
Die korrekte Diagnose einer ADHS bei Kindern und Jugendlichen ermöglicht die adäquate Behandlung, die die Symptomatik und die Alltagsfunktionalität verbessert. Welche langfristigen Auswirkungen eine ADHS-Diagnose auf die Lebensqualität hat, wurde jetzt anhand der Daten der Longitudinal Study of Australian Children untersucht.
Die 1999 bis 2000 bzw. 2003 bis 2004 geborenen Teilnehmer dieser prospektiven repräsentativen Kohortenstudie wurden acht Jahre lang nachbeobachtet. Von den 8.643 Jugendlichen hatten 393 (284 Jungen, durchschnittliches Alter 10 Jahre) eine ADHS-Diagnose erhalten. Ihr durchschnittlicher Score im Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) betrug 5,05 Punkte. Sie wurden mit 393 Jugendlichen ohne ADHS-Diagnose verglichen. Beide Gruppen wurden mittels Propensity-Score-Matching in Bezug auf zahlreiche Variablen einschließlich Hyperaktivität/Unaufmerksamkeit (H/I) nach SDQ harmo- nisiert. Eine etwaige Therapie wurde nicht berücksichtigt.
 
Eher Nach- als Vorteile
Die 14- bis 15-Jährigen mit ADHS-Diagnose hatten im Child Health Utility 9D (CHU9D) eine ähnliche selbstberichtete Lebensqualität wie die Kontrollen (mittlere Differenz [MD]: -0,03; p = 0,10). Sie unterschied sich zwischen Mädchen und Jungen nicht, fiel aber (Diagnose-unabhängig!) bei starker H/I schlechter aus. Auch die Sekundärparameter allgemeine Gesundheit (MD: 0,11; p = 0,15), Glück (MD: -0,18; p = 0,05) und Vertrauen in Altersgenossen (MD: 0,65; p = 0,05) fielen nicht signifikant unterschiedlich aus. Die diagnostizierten Jugendlichen hatten aber ein geringeres Zugehörigkeitsgefühl zur Schule (MD: -2,58; p < 0,001), ein schlechteres akademisches Selbstkonzept (MD: -0,14; p = 0,02), eine niedrigere Selbstwirksamkeit (MD: -0,20; p = 0,007) und mehr negative soziale Verhaltensweisen (MD: 1,56; p = 0,002). Sie neigten vor allem deutlich häufiger zur Selbstverletzung (Odds Ratio: 2,53; p < 0,001) als die Jugendlichen ohne ADHS-Diagnose. JL
Fazit
In dieser Studie war die ADHS-Diagnose nicht mit einer besseren selbstberichteten Lebensqualität der Jugendlichen verbunden. Sie ging sogar in verschiedenen Lebensqualitäts-Aspekten mit einem schlechteren Outcome einher. Die Autoren sorgen sich, dass mit der Diagnose assoziierte Probleme wie (Selbst-)Stigmatisierung etc. durch die Vorteile wie eine ADHS-Therapie nicht ausgeglichen werden könnten.


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle: Kazda L et al.: Association of attention-deficit/hyperactivity disorder diagnosis with adolescent quality of life. JAMA Netw Open 2022; 5(10): e2236364 [Epub 3. Okt.; doi: 10.1001/jamanetworkopen.2022.36364]
ICD-Codes: F90.0

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