Italienisches Projekt zum Schlaganfall in jungen Jahren

Neuro-Depesche 10/2020

Beeinflusst eine Migräne-Anamnese das Infarktvolumen?

Zertifizierte Fortbildung
Eine Migräne kann die zerebrale Erregbarkeit erhöhen und in ZNS-Arealen mit Perfusionsdefiziten eine schnelle Infarktausdehnung fördern. Ob das in Tiermodellen der fokalen zerebralen Ischämie gezeigte größere Infarktvolumen auch bei Menschen mit Migräne zu beobachten ist, wurde jetzt in dem Italian Project on Stroke at Young Age (IPSYS) untersucht.
In einer Kohortenstudie mit 591 Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall im Durchschnittsalter von 37,5 Jahren (53,8 % männlich) wurden die Volumina akuter und chronischer Infarkte mittels volumetrischer MRT erfasst. In diesem Kollektiv wiesen 160 (27,0 %) Patienten eine persönliche Migräne-Vorgeschichte auf, davon 103 eine Migräne ohne und 57 eine mit Aura.
 
Größere Infarktvolumina
Die 160 Migräne-Patienten wiesen in der Tat signifikant größere Infarkte auf als die Nicht-Migräne-Patienten (median 5,9 cm3 versus 2,6 cm3; p < 0,001). Die größten Infarktvolumina wurden dabei bei den 57 Patienten mit Aura beobachtet (median 9,0 cm3). Diese Zusammenhänge wurden durch spezifische Migräne-Merkmale wie Attackenhäufigkeit und Schmerzstärke nicht beeinflusst, wenngleich diese Beobachtung nur auf dem Vergleich kleiner Patienten-Subgruppen beruht.
 
Bis zu dreieinhalb Mal größere Akutläsionen
In einem Regressionsmodell war die Anamnese einer Migräne nach der Adjustierung für Alter, Alkoholkonsum und andere potenziell beitragende Variablen ein signifikanter, unabhängiger Prädiktor für ein erhöhtes Infarktvolumen (p < 0,001).
Das Läsionsvolumen war in der Migräne- Gruppe mehr als anderthalb Mal so groß wie in der Referenzgruppe von Schlaganfallpatienten ohne Migräne-Anamnese (Medianverhältnis [MR]: 1,80; 95 %-KI: 1,33 – 2,45). In der Gruppe der Migräne- Patienten mit Aura fiel das Läsionsvolumen mehr als dreieinhalb Mal größer aus (MR 3,62; 95 %-KI: 2,28 – 5,74). Diese Ergebnisse waren im Übrigen geschlechtsübergreifend konsistent.
Bei den chronischen ischämischen Läsionen in 75 Fällen (12,7 %) ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne Migräne. JL
Fazit
Diese MRT-basierte Studie bestätigt die experimentelle Beobachtung größerer Hirninfarkte bei Migräne-Patienten. Sie stützt damit die Hypothese, dass Menschen mit Migräne eine erhöhte Anfälligkeit für ischämische Hirnschädigungen aufweisen. Das Geschlecht hatte keinen maßgeblichen Einfluss.


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle: De Giuli V et al.: History of Migraine and Volume of Brain Infarcts: The Italian Project on Stroke at Young Age (IPSYS). J Stroke 2019; 21(3): 324-31

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