In die prospektive Querschnittsstudie in Südkorea wurden 73 Patienten mit Aquaporin-4(AQP4)-Antikörper-positiver NMOSD und 38 MS-Patienten nach einer jeweils allerersten Optikusneuritis (ON)-Episode eingeschlossen. Ihre bestkorrigierte Sehschärfe (Best-corrected visual acuity, BCVA) wurde mit dem Snellen- Diagramm bestimmt, die Sehschärfe nach den Sloan Letter Charts mit hohem (100 %) Kontrast (HCVA) und niedrigem (2,5 %) Kontrast (LCVA). Mittels OCT wurde die Netzhautdegeneration anhand der Retinal nerve fiber layer thickness (RNFL) und dem Makula-Volumen (MV) erfasst.
Die 60 ON-betroffenen Augen der NMOSDPatienten wiesen in allen vier Quadranten eine jeweils signifikant dünnere RNFL (p < 0,001) auf als die 33 ON-Augen der MS-Patienten. Die jeweils nicht-betroffenen Augen unterschieden sich zwischen den beiden Gruppen kaum.
Der RNFL-Unterschied war in den beiden Subgruppen der Patienten mit einer einzigen bzw. mehreren ON-Episoden sehr ausgeprägt (je p < 0,001), existierte aber NICHT zwischen NMOSD-Patienten mit einer ON- und MS-Patienten mit mehreren ON-Episoden. Ganz ähnliche Zusammenhänge ergaben sich in den OCT-Befunden des Gesamt-MV (je p < 0,001). Zudem fand sich bei den 60 betroffenen NMOSD-Augen eine signifikant geringere Sehschärfe (p < 0,001) als bei den 33 betroffenen MS-Augen – bei hohem (HCVA) und auch bei niedrigem Kontrast (LCVA). Insgesamt zeigte die RNFL-Dicke zahlreiche signifikante Relationen, so mit dem HCVA/LCVA sowie dem EDSS-Wert und der MS-Dauer. Die Zusammenhänge waren bei den NMOSD-Patienten meist ausgeprägter als bei den MS-Patienten.
Für die Identifizierung einer NMOSD ergab eine RNFL-Dicke < 78,9 μm eine Spezifität von 93,9 % und eine Sensitivität von 45,0 %. Der HCVA-Grenzwert von < 0,4 Dezimalstellen ging mit einer Spezifität von 72,7 % und einer Sensitivität von 65,0 % für eine NMOSD einher. Die Kombination dieser beiden Grenzwerte ergab sogar eine 100 %-ige Spezifität. JL