Hochpotente Cannabis-Sorten

Neuro-Depesche 4/2019

Verdacht zur Psychose-Gefahr bestätigt

Zertifizierte Fortbildung

Schon früher gab es immer wieder Hiweise darauf, dass Cannabis-Konsum eine Psychose triggern kann. In einer Fall-Kontroll-Studie des King‘s College in London wurde dieser Verdacht nun erhärtet – allerdings nur für den (immer häufigeren) Konsum von hochpotentem Cannabis mit einem Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) von mehr als 10 %.

In elf Regionen von England, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und Italien sowie Brasilien wurden 2.138 Personen untersucht, davon 901 mit psychotischer Erstepisode (FEP). Die konsumierten Cannabis- Produkte wurden unterteilt in niedrig- (THC-Gehalt < 10 %) und hochpotent (THC-Gehalt ≥ 10 %).
Von den 901 FEP-Patienten gaben 266 (29,5 %) an, täglich Cannabis zu konsumieren, von den 1.237 Kontrollen nur 84 (6,8 %; Odds Ratio: 6,22; nach Adjustierung auf Kofaktoren 3,2). Außerdem bevorzugten die Patienten hochpotentes Cannabis: 37,1 % gaben an, schon einmal Produkte mit einem THC-Gehalt > 10 % konsumiert zu haben (Kontrollgruppe: 19,4 %; OR: 4,8).
Nach der Berechnung der „Popular Attributable Fraction“ (PAF; Anteil verhinderter Krankheitsfälle bei kompletter Elimination der Exposition in der Bevölkerung) könnten in den elf Regionen durchschnittlich 12,2 % der FEP-Fälle vermieden werden, wenn es dort kein hochpotentes Cannabis mehr gäbe. In London lag der PAF bei 30,3 %, in Amsterdam sogar bei 50,3 %.
Diese Entlastung des Gesundheitssystems setzt allerdings Kausalität voraus. Das Forschungsteam gibt jedoch zu bedenken, dass der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang auch in die andere Richtung möglich ist. So könnten Personen, die erste Symptome bei sich wahrnehmen, die Neigung entwickeln, besonders starkes Cannabis zu konsumieren. Eine Studie aus den Niederlanden konnte nachweisen, dass derartige Verläufe vorkommen. GS
Kommentar

Die Autoren möchten ihre Ergebnisse als Warnung für alle Cannabis-Konsumenten verstanden wissen: Sie gehen davon aus, dass der Verzicht auf hochpotentes Cannabis das persönliche Psychose-Risiko erheblich senken oder den Ausbruch einer bislang latenten Schizophrenie zumindest deutlich hinauszögern kann.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Di Forti M et al.: The contribution of cannabis use to variation in the incidence of psychotic disorder ... Lancet Psych 2019 [Epub 19. März.; http://dx.doi. org/10.1016/S2215-0366(19)30048-3]

ICD-Codes: F29

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