Systolischen Blutdruck stärker kontrollieren?

Neuro-Depesche 7-8/2018

Ab 130 mmHg steigt das Demenzrisiko

Zertifizierte Fortbildung

50-Jährige mit einem systolischen Blutdruckwert ab 130 mmHg tragen ein erhöhtes Risiko, im späteren Leben eine Demenz zu entwickeln – auch wenn die Betroffenen bisher keinen Schlaganfall erlitten hatten. Darauf deutet jetzt eine Auswertung der Whitehall-II-Studie hin. Eine entscheidende Rolle spielt hier wohl die Zeitdauer, den die Betroffenen mit einem erhöhten Blutdruck gelebt haben.

Eine nicht behandelte arterielle Hypertonie gilt als wichtigster Risikofaktor für einen Schlaganfall, aber auch für andere, nur im MRT nachweisbare und (zumindest zunächst) asymptomatische Hirnläsionen wie kleine Blutungen oder Mikroinfarkte. Wie ein Schlaganfall erhöhen jedoch auch sie langfristig das Risiko für Hirnleistungsstörungen. Der Zusammenhang zwischen Hypertonie und Demenz wurde bereits in mehreren Beobachtungsstudien aufgezeigt. Besonders gefährdet waren hier vor allem Patienten, die im mittleren Lebensalter zu hohe Blutdruckwerte aufwiesen. Allerdings liegt bis heute keine einheitliche Definition dieses „mittleren Lebensalters“ vor.
Mitarbeiter des French National Institute of Health in Paris und des University College London haben nun das Demenzrisiko für Personen im unterschiedlichen Alter anhand der Daten der Whitehall-II-Studie berechnet. An dieser Kohorten-Studie nahmen 8639 britische Staatsangestellte teil. Knapp ein Drittel von ihnen war weiblich. Bei allen wurde 1985, 1991, 1997 und 2003 der Blutdruck gemessen. Die Inzidenz einer demenziellen Erkrankung wurde anhand der elektronischen Krankenakten ermittelt und alterstratifiziert (mit 50, 60 und 70 Jahren) berechnet. Bis zum Jahre 2017 wurde bei 385 Studienteilnehmern (43,9%) eine Demenz diagnostiziert.
Im Gesamtkollektiv ergab sich eine signifikante Assoziation mit einem systolischen Blutdruckwert ≥ 130 mmHg. Dies traf bei näherer Analyse jedoch nur für diejenigen zu, die diesen Blutdruck bereits im Alter von 50 Jahren aufwiesen (voll adjustierte Hazard-Ratio [HR] 1,38, 95%-KI: 1,11–1,70), nicht aber für die, bei denen dies erst mit 60 oder 70 Jahren der Fall war (HR 1,03, 95%-KI: 0,81–1,30 bzw. HR 1,14, 95%-KI: 0,85–1,54).
Ein erhöhtes Demenzrisiko wurde auch in der Gruppe der Studienteilnehmer mit Werten ≥ 130 mmHg ohne kardiovaskuläre Erkrankung festgestellt (HR: 1,47; 96%-KI: 1,15–1,87). Nahmen die betroffenen Personen im Alter von 50 Jahren Antihypertensiva ein, war das Demenzrisiko aber nicht signifikant erhöht (HR: 1,16; 95%-KI: 0,75–1,80). Bei den 60-Jährigen war dies dagegen schon der Fall (HR 1,62, 95%-KI: 1,21–2,18). Interessanterweise ergab sich zwischen dem Demenzrisiko und dem diastolischen Blutdruckwert kein Zusammenhang. GS
Kommentar

Den Autoren zufolge scheint die Dauer einer systolischen Hypertonie für die Entwicklung einer Demenz maßgeblich. Unter diesem Aspekt sollte vielleicht bei jüngeren Menschen mit einem systolischen Blutdruck von ≥ 130 mmHg interveniert werden − anfänglich am ehesten mit ‚Lifstyle‘-Änderungen. Auch die ESH/ESC-Leitlinien empfehlen Werte von < 130/80 mmHg anzustreben. Dessen ungeachtet bestätigen die Autoren die bisherige Hypertonie-Definition von ≥ 140/90 mmHg – im Gegensatz zu den US-Leitlinien (≥ 130/90 mmHg).



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Abell JG et al.: Association between systolic blood pressure and dementia in theWhitehall II cohort study: role of age, duration, and threshold used to define hypertension Eur Heart J 2018 [Epub 12. Juni; doi:10.1093/eurheartj/ehy288]

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