FDA-Reviews ausgewertet

Neuro-Depesche 7-8/2017

Zunehmende Placebo-Response in Antidepressiva-Studien?

Zertifizierte Fortbildung

In allen klinischen Studien spricht ein gewisser Teil der Patienten auf Placebo an. Besonders ausgeprägt scheint dies in Antidepressiva-Studien der Fall zu sein. Eine zunehmende Placebo-Response könnte die Studienergebnisse und damit auch die Zulassung von Antidepressiva beeinflussen. Diesem Phänomen gingen nun US-Forscher nach.

Dazu sichteten sie die Reviews der Food and Drug Administration (FDA) zu 16 Antidepressiva, die zwischen 1987 und 2013 zugelassen wurden. Es handelte sich um 85 Studien mit 115 Studienarmen und 23 109 Patienten.
Wie vorhergesagt, hat das Ausmaß der Placebo- Response der Studienteilnehmer in den letzten 30 Jahren uns besonders den letzten 15 Jahrenstetig zugenommen. Lag die durchschnittliche Reduktion der depressiven Symptome unter Placebo vor 2000 bei 29,8%, betrug sie im Zeitraum danach 36,2%. Der Anstieg um 6,4% war signifikant (p = 0,005)..
Überraschenderweise ist gleichzeitig auch das Ansprechen auf die Antidepressiva in ähnlichem Ausmaß gestiegen: Die Symptomreduktion stieg von 40,6% vor dem Jahr 2000 auf 46,6%, also um 6,0% (p = 0,005).
Insofern blieben auch die mittels Hedges’ g-Formel errechneten Effektgrößen (0,30 vs. 0,29; p = 0,42) und die Antidepressiva-Placebo- Unterschiede (10,5% vs. 10,3%; p = 0,37) in den beiden Zeitabschnitten praktisch äquivalent. Eine zusätzliche, der überprüften Hypothese ebenfalls entgegenstehende Erkenntnis besteht darin, dass die Häufigkeit der mit positivem Resultat endenden Studienarme in den letzten 15 Jahren gestiegen ist, von 47,8% (32 von 67 Armen) auf 63,8% (30 von 47 Armen). Doch der Unterschied verfehlte die statistische Signifikanz.
Studiendesign-Merkmale, die zuvor mit einer Verringerung der Placebo-Response in Zusammenhang gebracht worden waren, wurden in jüngeren Studien nicht nur nicht implementiert, sondern meist wurde der gegenteilige Weg eingeschlagen: Die jüngeren Studien hatten eine längere Dauer, insgesamz mehr Studienarme und weniger flexible Dosierungen. Von den 34 jüngeren Studien waren in zweien anspruchsvolle Interviews eingesetzt worden, allerdings erfolglos. JL
Kommentar

Seit 15 Jahren wird kritisiert, dass die zunehmende Zahl an Studien mit negativen Ergebnissen auf einem immer ausgeprägteren Ansprechen auf Placebo beruhen könnte. Diese Überprüfung der FDA-Reviews zu 16 neu zugelassenen Antidepressiva ergab allerdings keine stichhaltigen Belege dafür. Den Zusammenhang zwischen Placebo-Response und negativen Antidepressiva-Studien der letzten Jahrzehnte bezeichnen die Autoren als „bestenfalls schwach“. Dass der Wirksamkeitsvorteil der Antidepressiva von etwa 10% gleichblieb, lässt u.a. auch den Schluss zu, dass die älteren und neueren Antidepressiva etwa gleich wirksam sind.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Khan A et al.: Has the rising placebo response impacted antidepressant clinical trial outcome? Data from the US Food and Drug Administration 1987-2013. World Psychiatry 2017; 16(2): 181-92

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