Komplexe Pathophysiologie

Neuro-Depesche 9/2015

Wie entsteht eigentlich eine Insomnie?

Insomnien umfassen Ein- und Durchschlafstörungen sowie frühmorgendliches Erwachen. Welche Mechanismen stehen im Einzelnen dahinter?

Eine Grundlage der primären Insomnie ist offenbar eine genetische Prädisposition (Heritabilität etwa 31 bis 58%). Diese könnte in neurobiologischen Abweichungen resultieren, die in einer neurophysiologischen Übererregbarkeit münden, welche den Schlaf verhindert. Dieser Zustand äußert sich u. a. durch Erhöhung von Kortisol-Konzentrationen, Herzfrequenz, Körperkerntemperatur sowie ß- und g-Wellen im EEG. Insomnie-Patienten zeigen in der Tat eine erhöhte Aktivität in einzelnen Hirnregionen während der Non-Rapid-Eye-Movement (NREM)- Schlafphasen. Dies könnten Betroffene subjektiv als Wachheit empfinden, während die Polysomnographie einen normalen Schlaf anzeigt.
Die Übererregung allein kann die Schlaflosigkeit allerdings nicht zur Gänze erklären. Eine weitere wichtige Rolle könnte die Dysregulation der schlaf- bzw. erregungsfördernden Netzwerke spielen: Gesteuert wird das Gleichgewicht von Schlafen und Wachen von zirkadianen Rhythmen und dem Wachheits-abhängigen Schlaftrieb. Bei normalem Schlaf erfolgt das Herunterregeln der Erregungssysteme u. a. von dem ventrolateralen präoptischen Areal (VLPO). Ungünstige, aber modifizierbare Schlafgewohnheiten spielen für die Insomnie natürlich ebenfalls eine große Rolle. OH
Kommentar

Der Goldstandard in der Behandlung primärer Insomnien ist die kognitive Verhaltenstherapie. Schlafhygienische Maßnahmen umfassen regelmäßige Schlafzeiten, die Schaffung einer ruhigen und dunklen Schlafumgebung, Vermeidung von Tagesschläfchen, abendlicher Verzicht von Alkohol und Entspannungsübungen. Unter den medikamentösen Optionen werden vor allem Benzodiazepin- Rezeptor-Agonisten, Doxepin, Trazodon eingesetzt, in den USA auch Orexin- Rezeptor-Antagonisten, die in Deutschland nicht zugelassen sind.

Quelle:

Levenson JC et al.: The pathophysiology of insomnia. Chest 2015; 147(4): 1179-92

ICD-Codes: F51.0

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