Thrombolyse nach Schlaganfall

Neuro-Depesche 10/2016

Profitieren auch die über 90-Jährigen?

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Im Allgemeinen erhöht ein höheres Alter die Mortalität nach einem Schlaganfall und verschlechtert die Prognose. Nun wurden die Wirksamkeit und Sicherheit einer intravenösen Thrombolyse in einer Gruppe sehr alter Patienten untersucht.

Retrospektiv wurden die Daten von Patienten mit einem akuten Schlaganfall im Alter ≥ 90 Jahren, die innerhalb von 4,5 Stunden (durchschnittlich nach 168 ± 48 Min) eine i.v.-Lyse mit tPA (0,9 mg/kg KG) erhalten hatten, mit denen einer altersentsprechenden Kontrollgruppe nicht-lysierter Patienten (Zeitfenster > 4,5 Stunden) verglichen. Die Gruppe der lysierten Patienten wies anfänglich tendenziell schwerere Schlaganfälle (NIHSS: 16 vs. 13; p = 0,06) und eine deutlich höhere Rate an kompletten Gefäßverschlüssen im CT (73% vs. 34%; p = 0,002) auf.
Unter insgesamt 78 Patienten im Alter von 91,9 ±1,7 Jahren (31% männlich) erhielten 37 eine Thrombolyse. Der Primärparameter, der funktionelle Status (nach modifizierter Rankin Scale, mRS) nach drei Monaten, fiel in beiden Gruppen ungünstig aus und unterschied sich zwischen den lysierten und nicht-lysierten Patienten nicht signifikant (mRS 0–2: 5% vs. 7%). Letzteres war auch für die Mortalität in den ersten sieben Tagen der Fall, die in der tPA-Gruppe mehr als doppelt so hoch war (22% vs. 10%; p = n.s.) war. Tendenziell traten auch häufiger symptomatische Hirnblutungen auf (22% vs. 0%; p = 0,08). Diese korrelierten mit dem mRS-Status nach drei Monaten.
Eine hämorrhagische Transformation wurde bei den thrombolysierten Patienten signifikant häufiger beobachtet (54% vs. 12%, p = 0,002). Die durchschnittliche Dauer des Klinikaufenthalts war in der tPA-Gruppe ebenfalls deutlich länger (10 ± 12 vs. 7 ± 9 Tage; p = 0,046) als in der Vergleichsgruppe. Interessanterweise wiesen alle 30 Patienten der tPA-Gruppe, bei denen die Perfusionsdetails dargestellt worden waren, einen vorteilhaften Befund (MTT-CBV-Mismatch im CT) und gute ASPECT-Scores auf. JL
Kommentar

Innerhalb des empfohlenen Zeitfensters gilt die Thrombolyse bei ischämischem Schlaganfall heute als Therapie der Wahl. Die Ergebnisse bei den über 90-Jährigen ergaben aber für die Lyse keine wesentlichen Vorteile. Dies steht im Widerspruch zu anderen Studien. Die Autoren vermuten, dass dafür u. a. die anfänglich höhere Schlaganfallschwere und die höhere Rate an Komplettverschlüssen in der tPA-Gruppe sowie die kleine Gruppengröße verantwortlich sein könnten. Sie mutmaßen, dass für ältere Patienten vielleicht auch ein kürzeres Zeitfenster von 3 h für die Lyse angebracht sein könnte.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Sagnier S et al.: The impact of intravenous thrombolysis on outcome of patients with acute ischemic stroke after 90 years old. BMC Geriatrics 2016; 16: 156 [Epub 25. Aug.; doi 10.1186/s12877-016-0331-1]

ICD-Codes: I69.4

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