Neuro-Depesche 4/2000

Myokarditis und Kardiomyopathie durch Clozapin

Clozapin ist bisher über mehr als eine Million Patientenjahre und in mehr als 60 Ländern verschrieben worden. Die in der Behandlung der therapierefraktären Schizophrenie eingesetzte Substanz wird meistens gut vertragen und führt zu bemerkenswerten Behandlungserfolgen bei jungen Patienten. Die Todesfälle von zwei gesunden jungen Männern kurz nach Behandlungsbeginn mit Clozapin waren Anlass für eine Übersicht über die kardialen Nebenwirkungen.

Die zwischen 1993 und 1999 vom australischen Adverse Drug Reactions Advisory Commitee (ADRAC) auf freiwilliger Basis erhobenen Daten wurden ausgewertet. In dem genannten Zeitraum wat bei 8000 Patienten eine Behandlung mit Clozapin begonnen worden. 23 von ihnen wiesen objektive Zeichen einer Myokarditis oder Kardiomyopathie auf (absolutes Risiko 0,29%), sechs von ihnen starben. Die diesen 23 Patienten verabreichten Dosen lagen zwischen 600 und 725 mg/d. 15 Patienten litten an einer Myokarditis, acht an einer dilatativen Kardiomyopathie. In allen Fällen von Myokarditis trat diese bald nach dem Behandlungsbeginn mit Clozapin auf (zwei bis 21 Tage später, Median 15 Tage). Bei fünf dieser Patienten wurden grippeähnliche Symptome beobachtet, bei sechs eine Eosinophilie. Fünf der Patienten starben, drei plötzlich und zwei an sich rasch verschlechternder Herzinsuffizienz. Sämtliche Todesfälle durch Myokarditis traten 14 bis 18 Tage nach Therapiebeginn ein. In den Autopsien zeigten sich floride Myokarditiden. Von den acht Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie starb einer. Die Symptomatik begann hier nach zwei bis 36 Monaten (Median 12 Monate). Bei einem Patienten besserten sich nach Absetzen von Clozapin Klinik und echokardiographische Befunde. Es bestanden keine zusätzlichen Herzkrankheiten. Für zehn der Patienten war Clozapin die einzige Medikation. Im ersten Behandlungsmonat wurden somit bei 1/500 jungen erwachsenen schizophrenen Patienten, die mit Clozapin behandelt wurden, tödliche und nicht tödliche akute allergische Myokarditiden gefunden. Als Ursache wird eine IgE-vermittelte allergische Reaktion vom Soforttyp (Typ 1) angenommen, aber auch eine Typ 3-Reaktion (Immunkomplextyp, Serumkrankheit) ist mit dem Zeitintervall zwischen Therapiebeginn und erster Symptomatik vereinbar. Es ist auch eine direkte toxische Wirkung auf das Herz vorstellbar, die entzündliche Infiltrate nach sich zieht. Die Inzidenz der dilatativen Kardiomyopathie in der Bevölkerung beträgt 7,5 bis 10,0/100 000. Die errechnete Inzidenz von 51,5/100 000 Patientenjahre ergibt durch die Behandlung mit Clozapin ein fünffach erhöhtes Risiko. Die Remission der Symptomatik bei einem Patienten legt nahe, dass es sich um reversible Phänomene handeln könnte.

Quelle: Kilian, JG: Myokarditis and cardiomyopathy associated with clozapine, Zeitschrift: THE LANCET, Ausgabe 354 (1999), Seiten: 1841-1845

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