Die 25-jährige Frau, die nie unter Kopfschmerzen gelitten hatte, stellte sich mit schwerem, pochendem parieto-temporalem Kopfschmerz linksseitig vor, verbunden mit Erbrechen, Schwindel und Photophobie. Seit sieben Tagen waren diese Attacken, die die
Migräne- Kriterien nach ICHD-3 erfüllten, mehrfach aufgetreten.
Bei der ersten Vorstellung in der Klinik war die neurologische Untersuchung ohne Befund. Das MRT zeigte subkortikal und periventrikulär hyperintense T2/Flair-Läsionen. Beteiligt waren das Corpus callosum, der linke Temporallappen und das rechte Brachium pontis. Es wurde eine „
Migräne bei radiologisch isoliertem Syndrom (RIS)“ diagnostiziert. Die Patientin erhielt zur Migräneprophylaxe Topiramat, das jedoch wegen schlechter Response abgesetzt wurde. Auch die danach probierten Triptane und NSAR blieben erfolglos.
Ein Jahr später stellte sich die Frau mit einem Status migraenosus vor. Das MRT zeigte neue T2/Flair hyperintense Läsionen in Hirn und Rückenmark, die auf eine Progression hinwiesen. Zur Prophylaxe gegebenes Propanolol wirkte nicht. Ein weiteres MRT nach sechs Monaten zeigte erneut neue T2/Flair-Läsionen periventrikulär und in juxtakortikalen Bereichen sowie im Corpus callosum, zusammen mit neuen Gadolinium-anreichernden, supratentoriellen Läsionen.
Im nächsten Jahr zeigte die Frau bei Wiedervorstellung ebenfalls einen Status migraenosus, der diesmal begleitet wurde von Sensibilitätsstörungen und Schwäche in beiden Unterschenkeln sowie ständigem Harndrang. Die neurologische Untersuchung ergab bilateral eine leichte Parese des Unterschenkels, pathologisch gesteigerte Sehnenreflexe und ein positives Babinsky-Zeichen. Bis zur Höhe des Brustkorbes fehlten die Reflexe auf Vibrationen und Nadelstiche. Ein erneutes MRT zeigte jetzt viele neue Gd-anreichernde Läsionen – und im Liquor wurden nun oligoklonale Banden nachgewiesen.
Erst jetzt wurde eine MS nach den McDonald- Kriterien (2010) diagnostiziert. Nach fünftägiger Infusion von hochdosiertem Methylprednisolon gingen die Kopfschmerzen und die neurologischen Symptome deutlich zurück, danach wurde eine orale MS-Therapie (Fingolimod) eingeleitet. Über die folgenden Monate remittierte der Kopfschmerz. Fazit: Eine Non-Response auf die üblichen Migräneprophylaktika plus Nachweis progressiver Demyelinisierungen im MRT können auf eine MS hinweisen. GS