Ätiologie, Klinik und Therapie

Neuro-Depesche 6/2005

Hypophysenapoplex - zu häufig spät erkannt

Die Hypophysenapoplexie ist eine seltene, potentiell lebensbedrohliche Erkrankung, die häufig nicht schnell genug erkannt bzw. oft verwechselt wird. Eine Forschergruppe aus den USA und Kollegen aus Kapstadt haben nun ihre zusammengetragenen Kasuistiken ausgewertet.

Das Durchschnittsalter der 62 Patienten mit Hypophysenapoplex lag bei 51,1 Jahren, 61% waren Männer. Die korrekte Diagnose war erst durchschnittlich 14 Tage nach dem Ereignis gestellt worden. Das dominierende Erstsymptom war meist Kopfschmerz (84%). Über Visusstörungen klagten 61%, eine bitemporale Hemianopsie wiesen 43% auf, Augenmuskellähmungen bestanden bei 45% und eine beidseitige Blindheit bei 10% der Patienten. Bei 13% der Betroffenen war das Bewusstsein getrübt, zwei waren sogar komatös. Die häufigste initiale (Fehl-)Diagnose war eine Subarachnoidalblutung (SAB) (n = 40, 65%) oder eine Meningitis (n = 19, 31%) gewesen. 73% der Patienten wiesen einen Hypopituitarismus, 3% eine Hyperfunktion und 8% einen Diabetes insipidus (DI) auf, bei knapp 15% bestand eine Hyponatriämie. Die MRT bestätigte sich als Diagnosemethode der Wahl, keiner der Befunde war falsch negativ. Bei 48 Patienten (77%) erfolgte eine transsphenoidale chirurgische Dekompression, bei 10 (16%) eine Kraniotomie, drei Betroffene wurden konservativ geführt. Ein Patient verstarb noch vor Behandlungsbeginn. Postoperativ bestrahlt wurden knapp drei Viertel der Teilnehmer. Die histologische Aufarbeitung ergab bei der Mehrheit (79%) den Nachweis eines Adenoms. Eine hämorrhagische Infarzierung bestand bei 47%, ein ischämischer Hypophyseninfarkt bei 40% und eine primäre Hämorrhagie bei 8%. Mit 81% war bei der Mehrheit der Betroffenen zum Ereigniszeitpunkt kein Hypophysentumor bekannt gewesen, ferner konnten nur bei drei Patienten eindeutige Risikofaktoren für das Ereignis identifiziert werden. Die Patienten wurden im Mittel ca. 56 Monate nachbeobachtet: 5% verstarben am Hypophysenapoplex, 6% blieben behindert. Bei 79% der Betroffenen konnte ein insgesamt gutes Outcome dokumentiert werden, 60% waren sogar symptomfrei geworden. (siehe Tabelle rechts). Der Visus besserte sich bei 76% der Patienten, die Gesichtsfelddefekte bei 79%. Eine dauerhafte Hormonsubstitution benötigten 83% der nachuntersuchten 58 Patienten. Ein anhaltender DI wurde bei 9% dokumentiert. Die wertvolle Fallsammlung bestätigt auch die klinische Therapiepraxis: Hochdosierte Kortikosteroide und die neurochirurgische Intervention, vorzugsweise über einen transsphenoidalem Zugang, sind die Säulen der Therapie bei Hypophysenapoplex. Eine frühe bzw. Notoperation ist insbesondere indiziert, wenn eine (plötzlich auftretende) Sehstörung, ein vermindertes Bewusstsein oder eine Hypothalamus-Dysfunktion besteht. Wenige, sorgsam selektierte Patienten, z.B. jene mit isolierter Hirnnervenlähmung, bereits stark gebessertem Zustand nach länger zurückliegendem Ereignis oder mit Kontraindikationen gegen eine Operation, können konservativ behandelt werden. (Be)

Quelle: Semple, PL: Pituitary apoplexy, Zeitschrift: NEUROSURGERY, Ausgabe 56 (2005), Seiten: 65-72

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