Langzeitstudie über zwölf Jahre

Neuro-Depesche 4/2017

CAVE: Polypharmazie erhöht das Demenz-Risiko

Zertifizierte Fortbildung

In einer Fallkontrollstudie, die in eine zwölfjährige Längsschnittstudie eingebettet war, wurde in Südkorea untersucht, ob Mehrfachmedikationen das Risiko älterer Menschen erhöhen, an einer Demenz zu erkranken. Berücksichtigt wurde auch der Einfluss häufiger potenziell ungeeigneter, also kognitionsverschlechternder Medikamente.

Ausgewertet wurde das South Korean National Health Insurance Service (2002–2013) mit 1 025 340 Datensätzen. Eine Stichprobe von 5562 Personen (ca. 72% weiblich) erfüllten das Einschlusskriterium, an einer Demenz erkrankt zu sein (Morbus Alzheimer: 33,1%, andere Demenzen: 38,5%, gemischte Demenzen: 28,4%). Ihnen wurden alters- und geschlechtsgematcht 5562 nicht-demente Personen gegenübergestellt.
In der Gruppe der Demenzformen bestand nach dem Charlson Comorbidity Index eine höhere Prävalenz an komorbiden Krankheiten (CCI-Score: 3,65 vs. 1,51). Zerebrovaskuläre Erkrankungen, Depression, Delirium, alkoholbedingte Verhaltensprobleme, Schizophrenie und andere psychotische Erkrankungen waren bei den Fällen jeweils mehr als dreimal häufiger als bei den Kontrollen. Die Prävalenz eines Bluthochdrucks als häufigste Komorbidität in beiden Gruppen war ebenfalls bei den Demenzkranken deutlich höher (66,6% vs. 48,6%).
Es fanden sich in der Demenzgruppe wie erwartet deutlich häufiger Mehrfachmedikationen (durchschnittlich 2,54 vs. 1,75 Medikamente/ Tag in den letzten zwei Jahren vor der Demenzdiagnose). Eine Polypharmazie war bei ihnen 1,7-mal häufiger (18,8% vs. 10,8%). Den Betroffenen waren auch häufiger potenziell ungeeignete Medikamente (potentially inappropriate medications, PIM) wie Benzodiazepine, Anticholinergka und H2-Rezeptorantagonisten verordnet worden (Odds Ratio: 1,5–2,0).
In der univariaten Analyse nahm die Wahrscheinlichkeit für eine neu diagnostizierte Demenz signifikant mit der Anzahl der verschriebenen Medikamente zu: Gegenüber Patienten ohne Medikamenteneinnahme lag die Odds Ratio (OR) bei 1 bis 4 Pharmaka bei 1,72 (95%- KI: 1,56–1,88). Sie stieg bei 5 bis 9 Medikamenten auf 2,64 (95%-KI: 2,32–3,05) und bei ≥ 10 Medikamenten auf 3,35 (95%-KI: 2,38– 4,71).
Univariat war die Demenzgefahr außerdem signifikant erhöht bei vielen komorbiden Erkrankungen (Hypertonus, Gefäßkrankheiten, Herzinsuffizienz, Diabetes, COPD, Depression etc.; je p < 0,001) sowie mit zunehmender Einnahmedauer der PIM. Die Beziehung zwischen Polypharmazie und Demenzrisiko wurde durch die Einberechnung dieser Komorbiditäten und der PIM in der multiplen Regressionsanalyse geschwächt, blieb aber mit Signifikanz bestehen. JL
Kommentar

Nachdem in vergangenen Studien belegt wurde, dass eine Polypharmazie das Risiko für Stürze/Sturzfolgen und Hospitalisierungen sowie die Mortalität erhöht, zeigt diese Auswertung nun auch eine deutliche, sogar mit Zahl der eingenommenen Medikamente steigende Demenzgefahr. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, die Medikationen älterer Menschen immer wieder auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Park HY et al.: The association between polypharmacy and dementia: a nested case-control study based on a 12-year longitudinal cohort database in South Korea. PLoS One 2017; 12(1): e0169463. [Epub 5. Jan.; doi: 10.1371/journal.pone.0169463]

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