Depressionen bei MS-Patienten

Neuro-Depesche 11/2016

Beck Depression Inventory II zum Screening?

Rund 50% der MS-Patienten leiden unter Depressionen. In einer italienischen Multicenter- Studie wurde in einer heterogenen MS-Population gepürft, wie gut sich depressive Symptome mit dem Beck Depression Inventory II (BDI II) erfassen lassen.

In die multizentrische Querschnittsstudie wurden 1011 MS-Patienten eingeschlossen, darunter 676 (66,9%) Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei 34 Jahren, der durchschnittliche EDSS-Score bei 3,3. 710 Patienten (70,2%) litten unter einer schubförmigen remittierenden MS (RRMS), 236 (23,3%) hatten eine sekundär progressive MS (SPMS), 44 (4,4%) eine primär progressive MS (PPMS) und 21 (2,1%) ein klinisch isoliertes Syndrom (KIS).
668 Studienteilnehmer (66,1%) wiesen einen BDI II-Score < 14 auf. Bei 343 Patienten (33,9%) lag ein Score > 14 und damit eine klinische Depression vor. Diese wurde bei 158 Patienten (46%) als leicht bis moderat (BDI II: 14–19), bei 124 (36%) als moderat bis schwer (BDI II: 20–29) und bei 31 (9%) als schwer (BDI II: 30–63) klassifiziert.
Eine univariate Analyse zeigte, dass Patienten mit einem BDI II-Score > 14 älter waren sowie häufiger eine SPMS, eine längere Krankheitsdauer und einen höheren EDSS-Score aufwiesen. Ein signifikanter geschlechtsspezifischer Unterschied fand sich nicht. In der multivariaten Analyse erwiesen sich der EDSS-Wert und der Verlaufstyp als jene Faktoren, die mit einem BDI IIScore > 14 am stärksten korrelierten: So stieg der EDSS-Wert mit zunehmender Depressionsschwere in den drei Kategorien von 3,9 über 4,45 auf 6,78 an (die Odds Ratio für eine Depression betrug bei höheren EDSS-Werten 1,27; p < 0,001). Eine Depression lag bei 189 von 710 RRMS-Patienten (26,6%) vor, bei zehn von 44 PPMS-Patienten (22,7%) und bei zwei von 21 KIS-Patienten (9,5%) sowie – besonders häufig – bei SPMS-Patienten mit 142 von 236 Betroffenen (60,2%). Nach Adjustierung auf den EDSSScore ergab sich in den depressiven Symptomen ein signifikanter Unterschied zwischen der PPMS (als Referenz) und der RRMS (p = 0,007) sowie der SPMS (p < 0,001). Die OR für eine Depression betrug zwischen SPMS und PPMS fast das Vierfache (3,93; p < 0,001). GS

KOMMENTAR

Zur Diagnose einer Depression bei MS-Patienten wurden verschiedene Skalen für das medizinische/klinische Setting entwickelt, über deren Einsatz bislang kein Konsens bestand. Erst kürzlich schlug die American Academy of Neurology vor, bevorzugt das Beck Depression Inventory zu verwenden. Das BDI II weist im Depressions-Screening bei MS-Patienten eine Sensitivität von 85% und eine Spezifität von 76% auf. Jetzt erwies es sich als geeignetes Instrument, die bei 30% des MS-Studienkollektivs vorliegenden depressiven Symptome zu diagnostizieren und zu klassifizieren. Die Autoren empfehlen BDI II daher für den Therapiealltag.

Quelle:

Solaro C et al.: Depressive symptoms correlate with disability and disease course in multiple sclerosis patients: an italian multi-center study using the Beck Depression Inventory. PLoS one 2016; 11(9): e0160261 [doi:10.1371/journal.pone.0160261]

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